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Cannabis Legalisierung

Gedanken zur Legalisierung


Ich bin 13 und habe noch nie gekifft, uncool, sagt jemand, und ich fühl‘ mich schlecht.

Ich bin 16 und auf einer Hausparty. Wir sind jung, betrunken und ein bisschen zu cool für die Welt. Einer von den Jungs krümelt eine Cannabis-Blüte auf den Tabak, den er vorher aus einer Zigarette gebröselt hat und rollt einen Joint. Wir sitzen im Kreis und ziehen alle, spülen mit Alkohol, irgendjemand bricht auf den Teppich, und alles ist sehr langsam und dumpf.

Ich bin 21 und muss durch den Görlitzer Park laufen, um nach Hause zu kommen. Es ist kurz nach zwei, kalt und dunkel. Im Park ist Hochbetrieb, ich werde mehrmals angesprochen, ob ich etwas brauche. Weed, Koks, Acid? Ich ziehe meinen Schal tief ins Gesicht, es wird gepfiffen und gelacht, ein Großteil der Männer hier hält sich mit illegalem Drogenhandel über Wasser. An der U-Bahn Haltestelle stehe ich in einer Traube von Dealern, alles riecht nach Gras, ich sage laut nein und trotzdem hört mich niemand.

Ich bin 23 und ein Mensch, der mir sehr nah steht, wird wegen drogeninduzierter Psychose in die Klinik eingeliefert. Er ist immer noch krank und lebt seitdem langsamer. Er hat jeden Tag gekifft.

In dieser Woche wurde der Koalitionsvertrag der Ampelparteien vorgestellt. So erfrischend sich viele Stellen lesen, so besorgniserregend finde ich andere: Vor allem die Cannabislegalisierung. Die Droge soll in Zukunft kontrolliert an Menschen ab 18 Jahren abgegeben werden, so heißt es. Ich weiß, dass dieses Gesetz vor allem in meiner Generation lange gefordert wurde. Viele Medien beschreien seine Überfälligkeit, viele Jugendliche und junge Erwachsene feiern die neue Freiheit. Es ist popular und cool, für die Legalisierung zu sein, mit meiner kritischen Meinung stehe ich eher allein.

Die Legalisierung von Cannabis verharmlost seinen Konsum.

Die Prämisse ‚Was legal erwerbbar ist, kann nicht so schädlich sein‘, verschleiert die tatsächlichen Risiken, die mit dem Konsum verbunden sind – vor allem für junge Menschen. Cannabis soll ab 18 Jahren legal erhältlich sein. Das Frontalhirn ist aber erst mit Mitte 20 vollständig ausgereift. Regelmäßiges Kiffen macht die Hirnrinde dünner, vor allem der präfrontale Kortex, der unter anderem für die Impulskontrolle zuständig ist, ist betroffen. Kiffen kann also die Entwicklung negativ beeinflussen. Es ist außerdem kein Geheimnis, dass Kiffen Psychosen hervorrufen kann und begünstigt. Psychosen verändern Menschen, oft irreversibel. Cannabis ist eine Droge, kein Spielzeug. 

Ja, aber…

Oft wird argumentiert, dass Menschen, die kiffen wollen, es sowieso schon tun und irgendwie immer an Cannabis kommen. Dass es nur sinnvoll wäre, die Qualität des Produkts zu kontrollieren und damit im Sinne des Jugendschutzes zu agieren. Dass eine Legalisierung dem Schwarzmarkt entgegenwirke und dass Cannabis unmöglich ignoriert werden könne, weil es in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. Konsumierende würden kriminalisiert, heißt es – oftmals von den Konsumiereden selbst. Niemand möchte sich seinen Joint verbieten lassen und gleichzeitig möchte niemand das Gefühl haben, dass die eigene schlechte Gewohnheit tatsächlich schlecht ist. Eine Legalisierung beruhigt vor allem das Gewissen.

Die beliebsteste (i)llegale Droge

Fast die Hälfte aller 18 bis 25jährigen in Deutschland haben Cannabis schon mindestens einmal probiert. Bei den zwölf bis 17jährigen sind es auch schon mehr als zehn Prozent. Es gibt einen nachgewiesenen Zusammenhang zwischen depressiven Symptomen und einem regelmäßigen Cannabis Konsum. Ich verstehe den Punkt der Qualitätskontrolle und des Jugendschutzes, allerdings glaube ich nicht, dass eine Legalisierung das zur Folge hat. Faktoren wie Preis und Zugänglichkeit werden hier eine entscheidende Rolle spielen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in jedem Dorf lizensierte Cannabis Kioske aus dem Boden gestampft werden, und ich kann mir nicht vorstellen, dass der Preis den Schwarzmarkt unterbietet. Kinder werden weiterhin auf dem Schwarzmarkt kaufen. Das Gras dort wird auf Grund des Wettbewerbs womöglich schlechter, weil gestreckter, der Konsum gleichzeitig gesellschaftlich akzeptierter. Wir züchten eine Kiffer-Nation heran, obwohl Prävention nötig wäre. Cannabis ist eine (Einstiegs)Droge, ihr Konsum macht süchtig, Sucht ist gefährlich, weil sie das Leben massiv beeinflusst und auf Dauer, taub, und stumpf und sehr einsam macht. Eine Legalisierung senkt die Hemmschwelle, das hat nichts mit Jugendschutz und Qualitätsversprechen zu tun, das ist eine Einladung in die bunte Welt der Drogen.

Nicht Verbot, sondern Schutz

Ich weiß, dass Drogen Spaß machen. Sie lassen einen schweben, während man eigentlich immer schwimmt. Schwermut wird im Rausch erstickt und ohne Betäubung lässt sich diese Welt kaum aushalten, vor allem wenn man sensibel ist. Ich kenne das Gefühl, wenn Leichtigkeit fehlt, und man denkt am Weltschmerz zu Grunde zu gehen. Ich weiß, wie sich Leere anfühlt und wie es ist, wenn der Stress einen nicht schlafen lässt. Wie es schmerzt, wenn man sich verloren fühlt, im Leben, im Sumpf. Ich weiß, dass Freiheit auch das Recht ist, sich selbst zu schaden und ich weiß, welche Befriedigung Selbstzerstörung mit sich bringt.

Ich weiß aber auch, dass diese künstlich herbeigeführten Highs von kurzer Dauer sind und natürliche Stimulation erschweren. Dass man nach jedem High tiefer fällt und dass es nie wieder das gleiche natürliche Glücksgefühl gibt, das man vor dem Konsum hatte, wenn man es regelmäßig macht. Drogen katapultieren in eine Welt, die es nicht gibt. Drogen sind Realitätsflucht und gefährlich, weil sie lebensunfähig machen. Auch Cannabis, wenn sich der Konsum verselbstständigt. Ja, es gibt einen Unterschied zwischen Sucht und Spaß. Und viele von denen, die gelegentlich kiffen sind wohl diszipliniert genug, um diesen zu erkennen. Viele können sich vor sich selbst schützen – aber wer schützt die, die das nicht schaffen?

Ich finde es falsch, sich den Konsumierenden zu beugen, weil ich glaube, dass es ihnen und auch der Gesellschaft langfristig schadet. Eine Legalisierung wird die organisierte Kriminalität kaum eindämmen, dass sieht man in den Niederlanden. Außerdem werden neue Kosumierendenschichten erschlossen und die Normalität des Konsums wird weiter in die Mitte der Gesellschaft rücken. Anstatt Sekt und Partyhut werden Junggesellinnenabschiede Long-Papes und Grinder durch die Hauptstädte der Nation tragen und Weinverkostungen werden Cannabisproben weichen. Das mag überspitzt klingen, möglich ist es ab demnächst aber durchaus.

Cannabis ist keine Alltagsdroge

Die Legalisierungs-Debatte ist seit Jahren aufgeheizt und hoch emotionalisiert. Vielen Menschen tritt man auf die Füße, wenn man sich für die eine, oder die andere Seite ausspricht. Es fühlt sich an, als würden Kiffer Moralaposteln gegenüberstehen. So ist das aber nicht. Auch wenn ich mich eher letzteren zuordne, möchte ich niemandem seinen oder ihren Joint verbieten. Es ist mir egal, wie viel um mich herum gekifft wird. Es ist mir aber nicht mehr egal, wenn Cannabis dem gleichen Phänomen wie Alkohol zum Opfer fällt, dass Menschen in Kategorien von cool und uncool unterteilt, je nachdem ob sie konsumieren oder nicht. Cannabis hat genau wie jede andere Droge, genau wie Alkohol, Zigaretten oder Koffein, unterschiedliche Wirkungen auf unterschiedliche Körper und Psychen. Ich finde es falsch, dieser Droge einen Platz inmitten der anderen Alltagsdrogen einzuräumen. Das Argument, Zigaretten seien schädlicher, zieht für mich nicht, weil man Schlechtes nie mit Schlechtem vergleicht. Davon abgesehen enthält der Rauch von Cannabis etwa die gleichen giftigen Bestandteile wie der von Tabak, mit Ausnahme der gefährlichen psychoaktiven Stoffe natürlich. Außerdem raucht man Joints selten mit Filter, weil das die Wirkung schmälert. Das macht Joints deutlich gesundheitsschädlicher als Zigaretten, dieser Aspekt wird leider oft vergessen. Auch die Bekämpfung von depressiven Symptomen mit Cannabis finde ich falsch, weil Drogen alles verstärken und Realität eben nüchtern funktioniert.

Aufklärung und Prävention

Das alles sollte Teil der Aufklärungsarbeit sein, damit vor allem Kinder und junge Erwachsene vor dem Konsum wissen, was Cannabis mit ihrem Körper und ihrem Geist machen kann. Nach vier Jahren Ampel will die neue Regierung die Situation erörtern, Studien sollen ab demnächst laufen. Die Einnahmen aus der Besteuerung von Cannabis sowie die Einsparungen bei der Strafverfolgung, die sich laut der Uni Düsseldorf auf rund fünf Milliarden Euro pro Jahr belaufen werden, sollen in Präventions- und Aufklärungsarbeit gesteckt werden. Ich hatte in der Schule keine Drogenerziehung. Das hat mir durchaus geschadet. Ich wünsche mir, dass die Legalisierung nicht die Duldung von etwas Unvermeidbarem zum Ziel hat, sondern eine bessere Aufklärung, und damit tatsächlich den Jugendschutz.

Quellen:

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2021): https://www.bzga.de/fileadmin/user_upload/PDF/studien/Drogenaffinitaet_Jugendlicher_2019_Basisbericht.pdf[24.11.2021]. 

Meier, M. H., Beardslee, J. & Pardini, D. (2020). Associations between Recent and Cumulative Cannabis Use and Internalizing Problems in Boys from Adolescence to Young Adulthood. Journal of Abnormal Child Psychology, https://doi.org/10.1007/s10802-020-00641-8

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